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22.02.11 –
Rund 30 Zuhörerinnen und Zuhörer waren der Einladung des Ortsverbands von Bündnis 90/Die Grünen zur Vortrags- und Diskussionsveranstaltung „Chancen für eine bessere Bildung“ am vergangenen Donnerstagabend gefolgt. Das Thema beleuchtete die baden-württembergischen Bildungspolitik und die beiden Referenten Doro Moritz von der GEW und Dr. Bernd Murschel, MdL und Grünen-Landtagskandidat des Wahlkreises Leonberg/Herrenberg zeigten Wege aus der Bildungssackgasse in Baden Württemberg auf.
Nach der Begrüßung des Ortsvorstandsmitglieds und ehemaligen AGH-Lehrers Norbert Fischer, stellte Doro Moritz, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), detailliert den Status Quo sowie die Defizite in der Bildungslandschaft Baden-Württemberg vor.
Doro Moritz verdeutlichte, dass Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit, wie sie in der Landesverfassung festgeschrieben seien, in der Realität sträflich vernachlässigt würden. Ein Arbeiterkind habe heute eine sechsmal kleinere Chance bei gleicher Leistung.
Sehr deutlich skizzierte sie ihre Vorstellungen für ein verbessertes Bildungssystem, das sowohl Vorschulkinder als auch Schüler und Studenten aus allen sozialen Schichten und jeglicher Herkunft fördern müsse.
„Früh investieren, statt spät reparieren“ müsse ein grundlegendes Prinzip der Bildungspolitik werden. Dem schloss sich auch Bernd Murschel an, der die Grünen Position verdeutlichte: Die Ausbildung und der Beruf der Erzieherinnen müsse aufgewertet werden – wie es in europäischen Nachbarländern längst geschehen ist.
Die GEW-Vorsitzende sprach sich vehement gegen die Grundschulempfehlung am Ende des vierten Schuljahres aus. Die Eltern wollten diese nicht, pädagogisch sei sie wertlos: „es muss das weg, was Kinder in drei Schubfächer verteilt“.
Wichtig sei ein individualisiertes Lernen an allen Schularten. Momentan werde man weder den schwachen noch den starken Schülern gerecht. Das einzelne Kind, mit seinen Stärken und Schwächen müsse aber in Zukunft verstärkt beachtet und gefördert werden. Das pädagogische Personal müsse dafür aber besser vorbereitet werden. Natürlich koste dies Geld, aber die Investition in Bildung und Forschung liege derzeit bei einem katastrophalen Wert von 5,4 % des Inlandsprodukts.
Unterrichtsversorgung und Unterrichtsausfall habe sich in den letzten Jahrzehnten zu einem leidigen Dauerthema entwickelt. Das Verhältnis von Lehrerwochenstunden pro SchülerIn verschiebe sich stetig nach unten. Entgegen der offiziellen Verlautbarungen der Landesregierung, habe sich zum Beispiel die Unterrichtsversorgung im Realschulbereich seit den 80er Jahren um 17 % verschlechtert.
Im Bereich Jugendhilfe und Schulsozialarbeit fehle eine grundlegende Finanzierung. Die Schulen benötigten jedoch dringend Unterstützung auf diesem Gebiet. Es solle konsequent mehr Fachpersonal eingestellt und auch hier die Ausbildung auf europäisches Niveau angehoben werden.
Auch die sogenannte Ganztagsschule brauche dringend ein tragfähiges Konzept und fachliche wie finanzielle Unterstützung durch das Land. Im Moment funktionierten Ganztagsschulen nur durch den Einsatz ehrenamtlicher Kräfte, was im Prinzip nicht schlecht sei, jedoch benötige jede Ganztagsschule zusätzlich genügend professionelles Personal um dem Anspruch der Kinder gerecht zu werden.
Die Landesregierung habe ja nun aus wahltaktischen Gründen endlich den Klassenteiler abgesenkt, so Doro Moritz. Allerdings nur auf 28 Kinder pro Klasse. In Grundschulen sei aber weiterhin ein Klassenteiler von 20 Kindern anzustreben, in weiterführenden ein Teiler von 25 Kindern pro Klasse, damit optimales und individuelles Lernen möglich sei.
Dies sei auch eine wichtige Voraussetzung für eine angestrebte „Inklusion“ – das gemeinsame Lernen von behinderten und nichtbehinderten Schülern.
Das Thema Schulstandorte werde weiterhin die Menschen und Gemeinden bewegen.Durch die von der Landesregierung eingeführten Werkrealschulen fielen zahlreiche Schulstandorte weg. In bereits 4 Jahren werde damit nicht einmal mehr ein Fünftel der Gemeinden über eine eigene Hauptschule verfügen. Würde hingegen nicht nach Klasse 4 bereits differenziert und es wäre ein längeres gemeinsames Lernen in kleineren Klassen möglich, könnten zwei Drittel aller Kommunen ein tragfähiges Bildungsangebot für die Kinder ihrer Gemeinde anbieten. Für viele Gemeinden sei das eine existentielle Frage –denn nahezu jede junge Familie wähle einen Wohnort nach dem Bildungsangebot aus.
Im Hochschulbereich sieht die GEW-Vorsitzende einen riesigen Personalbedarf. Mit dem Wegfall der Wehrpflicht erwarten die Hochschulen zusätzlich zu den steigenden Studentenzahlen der nächsten Jahre weitere 70 000 junge Männer. Die Abschaffung der Studiengebühren sei aber dennoch ganz klar eine wichtige Voraussetzung, um eine Chancengleichheit der Studierenden zu gewährleisten
Doro Moritz schloss mit einem Zitat des Bildungsexperten Andreas Schleicher: „Bildungsinvestition bringt nicht nur volkswirtschaftlich eine höhere Rendite…sie ist auch Gradmesser der Demokratie“.
Der Landtagsabgeordnete und Landtagskandidat des Wahlkreises Leonberg/Herrenberg, Dr. Bernd Murschel, referierte anschließend über die Ziele der Grünen Bildungspolitik und deren Umsetzungsmöglichkeiten in einer neuen Regierung, wobei er hervorhob, dass die Vorstellungen der GEW in weiten Teilen identisch seien mit den Zielen von Bündnis 90/Die Grünen.
Die Grünen wüssten von ihrer Arbeit vor Ort, wo bildungspolitisch der Schuh drücke, doch die Haltung der Landesregierung gegenüber innovativen bildungspolitischen Anträgen der Grünen habe er bisher als permanente Blockade erlebt.
Die „Verordnungspolitik“ der schwarz-gelben Landesregierung lege die Schulen an die „kurze Kette“ – eigener Spielraum für individuelle pädagogische Modelle bliebe dabei für die einzelnen Schulen kaum übrig.
Es habe sich auch mit der neuen Kultusministerin Schick nicht viel an der Bildungspolitik geändert. Eher vom Stil her habe man nun nicht mehr mit einem „Betonkopf“ zu tun, sondern mit einer „Gummiwand“ – das Ergebnis bliebe das gleiche.
Auch Murschel betonte, dass die Einführung der Werkrealschulen für den ländlichen Raum durch die Auflösung vieler Schulstandorte zu einem existentiellen Problem werde. Stattdessen müsse längeres gemeinsames Lernen in Verbundschulen eingeführt werden, um jedem Kind individuell gerecht zu werden.
Das Thema Bildung müsse prioritär auch in finanzieller Hinsicht angegangen werden, so Murschel. Es existierten in den einzelnen Parteien sehr unterschiedliche Wertvorstellungen darüber, wofür Geld eingesetzt werden müsse.
Jede Partei solle auch daran gemessen werden, wie wichtig ihr gute Bildung sei. Für Bündnis 90/Die Grünen stehe klar Bildung ganz oben in der Prioritätenliste.
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