"Grüne im Gespräch": Wohnraum schaffen.

Rund zwanzig Interessierte fanden sich in der locker coronakonform bestuhlten Mensa des Schulzentrums Längenholz in Herrenberg zum Themenabend „Wohnraum schaffen“ in der Reihe „Grüne im Gespräch“ des Ortsverbands Herrenberg und Gäu von Bündnis 90/DIE GRÜNEN ein. Gemeinsam mit dem Ortsverband hatte der Grünen-Bundestagskandidat Tobias B. Bacherle zu diesem Abend eingeladen. Mit Chris Kühn MdB, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der Bundestagsfraktion sowie Susanne Bay MdL, Sprecherin für Bauen und Wohnen der Grünen-Landtagsfraktion konnten zwei versierte Politiker*innen gewonnen werden. Rainfried Rudolf, Architekt und Alfred Steinki, Baubiologe und Mitglied der Grünen-Gemeinderatsfraktion waren weitere Gäste und Referenten der Veranstaltung, die von Tobias B. Bacherle moderiert wurde...

16.08.21 –


Rund zwanzig Interessierte fanden sich in der locker coronakonform bestuhlten Mensa des Schulzentrums Längenholz in Herrenberg zum Themenabend „Wohnraum schaffen“ in der Reihe „Grüne im Gespräch“ des Ortsverbands Herrenberg und Gäu von Bündnis 90/DIE GRÜNEN ein. Gemeinsam mit dem Ortsverband hatte der Grünen-Bundestagskandidat Tobias B. Bacherle zu diesem Abend eingeladen.  Mit Chris Kühn MdB, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der Bundestagsfraktion sowie Susanne Bay MdL, Sprecherin für Bauen und Wohnen der Grünen-Landtagsfraktion konnten zwei versierte Politiker*innen gewonnen werden. Rainfried Rudolf, Architekt und Alfred Steinki, Baubiologe und Mitglied der Grünen-Gemeinderatsfraktion waren weitere Gäste und Referenten der Veranstaltung, die von Tobias B. Bacherle moderiert wurde.

Gleich zu Beginn stellte Chris Kühn klar, dass die überbordenden Wohnkosten „DIE soziale Frage unserer Zeit“ sei und die derzeitige Bundesregierung ihren Auftrag, bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen, kläglich verfehlt habe. Viele Berufsgruppen (exemplarisch nannte Kühn Beschäftige des Einzelhandels, Polizisten, Pflegepersonal) könnten nichts mehr ansparen, weil die Mietkosten explodierten und eine strukturelle Überlastung für solche Berufsgruppen darstelle. Eigener Wohnraum rücke in unerreichbare Ferne.

Der Bundestagsabgeordnete hob zudem hervor, dass seit der Privatisierung der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften im Jahr 1990 eine fatale Entwicklung stattfindet: “Wir befinden uns in einer Negativspirale beim sozialen Wohnungsbau.“

Auch die große Frage des Klimaschutzes und der Klimaanpassung berührten zentral das Bauen und Wohnen. Ressourcensparendes Bauen sei das Gebot der Stunde, in der die Denkfabrik Agora Energiewende konstatiert, dass die Bundesregierung ihre CO2-Einsparziele in Folge nicht erreicht habe.

Susanne Bay hob hervor, dass es in dieser Legislaturperiode auf Landesebene ein eigenes Ministerium für Bauen und Wohnen gebe („zwar mit CDU-Ministerin, aber einer GRÜNEN Staatssekretärin“).
Die grün-geführte baden-württembergische Landesregierung habe zudem einen Strategiedialog „Bauen und Wohnen“ – ähnlich dem zur Transformation der Automobilindustrie – etabliert, in dem die Themen Baustoffe, Bezahlbarkeit und Anfahrtswege wichtige Punkte seien. Dabei hob Bay auch nochmals hervor, dass die zügigste Änderung bereits feststeht: ab 2023 besteht auch für Neubauten im Wohnbereich eine Photovoltaikpflicht.

Bay stellte zudem die „Holzbauoffensive“ der Landesregierung heraus. Und: „Auch der Massivbau muss zwingend klimaneutral werden, z.B. durch Leichtbau und den Einsatz von neuen Baustoffen.“ Die cradle to cradle-Betrachtungsweise müsse im Bausektor besonders wichtig sein, auch Recyclingbaustoffe müssten eingesetzt werden.

Die Novellierung des Landesentwicklungsplans (LEP), der „Mutter aller Pläne“ (Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen übergeordnet) solle noch in dieser Landtagslegislatur erfolgen. Der alte LEP beantworte zentrale Fragen der Demographie, des Klimaschutzes und der Digitalisierung nicht mehr.

Der Herrenberger Stadtrat Alfred Steinki stellte die laufenden und geplanten städtischen Wohnbauprojekte vor. Dabei wurde schnell klar, dass viele der Gebiete und Projekte in wenigen Investorhänden liegen. Das wurde von den Anwesenden besonders moniert. Auch wurde von einem Zuhörer angemerkt, dass es unverständlich sei, warum es für das geplante Wohngebiet „Herrenberg Süd“ drei Personalstellen auf dem Rathaus gebe, obgleich die Notwendigkeit derzeit erst eruiert werden müsse und man dadurch ein Wohngebiet „auf der grünen Wiese“ mit Einfamilienwohnbebauung privilegiere. Steinki meinte dazu, dass der Herrenberger Wohnungsbauschwerpunkt nachhaltig und bezahlbar sein solle – darauf genau zu schauen, sei die Aufgabe der Gemeinderäte.

Der Architekt Rainfried Rudolf, verantwortlich für die gemeinschaftlichen Wohnprojekte „Weitblick“ und „Stadtwerk“ in Herrenberg, stellte seine Idee der „Bauschaft“ als gemeinnützige Alternative zum gewerblichen Wohnungsmarkt vor. Er monierte aber, dass bei Ausschreibungen der Kommunen solche gemeinschaftlichen Wohnprojekte meist nicht zum Zug kämen, da die Zuschnitte und Parzellierungen der Gebiete größtenteils völlig ungeeignet seien.

Hierzu merkte Chris Kühn an, dass die Grünen derzeit an einer „neuen Gemeinnützigkeit“ arbeiten. Damit solle verhindert werden, dass Mieten weit nach oben schießen und es solle dadurch auch mehr sozialer Wohnraum geschaffen werden.

Bei der anschließenden, sehr regen Diskussion wurde vor allem auch der Ärger über den Fortbestand des  (Bundes-)§ 13 b offenkundig. Dieser lässt Bauen auch in privilegierten Gebieten und Außenbereichen zu und deshalb „fallen dem 13 b auch im Gäu viele Streuobstwiesen zum Opfer“, wie eine Zuhörerin anmerkte.
Der 13 b werde zwar in größeren Städten nicht angewendet, antwortet Susanne Bay, aber häufig im ländlichen Raum, wo er gar nicht notwendig sei zur Wohnraumschaffung, sondern dem Flächenfraß Vorschub leiste. Dabei sei das erklärte Ziel der Landesregierung die „Netto Null“ im Flächenverbrauch und es gelte das Prinzip „Innen vor Außen“ – also Nachverdichtung und Neunutzung im Innenbereich und Altbestand der Gemeinden.

Chris Kühn betonte nochmals, dass die Bundestagswahl im September auch darüber entscheide, wie in Zukunft gebaut und gewohnt werde. Die CDU/CSU jedenfalls habe eindeutig für den 13 b gestimmt und auch der Kostenexplosion bei den Mieten keinen Einhalt geboten.

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