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12.07.17 –
Auf Einladung des Bundestagskandidaten Tobias Bacherle und der Herrenberger Grünen sprach der Grüne Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour zum Thema „Die Welt im Umbruch“.
Entlang der Leitfrage „Ist die Welt aus den Fugen?“ behandlete der gebürtige Iraner, der die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt - was ihm übrigens ein Einreiseverbot in die USA einbrachte - und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages ist, seine Einschätzung der Konflikte und Kriege vor allem im Nahen Osten.
Auf Grund seiner vielen Besuche in Ländern wie Irak, Jemen, Libanon und Afghanistan, wo er für eine lange Zeit gelebt hatte, lehnt er die Einschätzung der dortigen Auseinandersetzungen als „Stellvertreterkriege“ im Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien und damit zwischen Schiiten und Sunniten als oberflächlich ab. Es werde verkannt, welch vielschichtige lokale Ursachen vorhanden seien. So hätten ihm 2014 irakische Clanchefs, die sich dem IS angeschlossen hatten, gesagt, dass sich für sie die Alternative zwischen schlecht leben unter dem IS oder sterben unter dem schiitischen Premierminister gestellt habe.
Am Beispiel des Irak führte Nouripour auch einen seiner Hauptgedanken aus. Es könne keinen Frieden geben, wenn im Anschluss an Militäreinsätze nicht eine aktive Aussöhnung der Konfliktparteien erfolge und von neutraler Seite Ursachenforschung betrieben werde.
Die USA habe dies für den Irak nach dem Fall von Diktator Hussein abgelehnt, mit den bekannten Folgen.
Nouripour befürchtet, dass Russland es nach dem Ende der Kampfhandlungen in Syrien nicht besser machen werde.
Beim Thema Flüchtlinge sei die Bekämpfung der Fluchtursachen zu einer abgedroschenen Phrase geworden, nichts desto trotz sei sie wahr. Anstatt vollmundig einen „Marshallplan“ für Afrika zu fordern, der nicht die Mittelschichten dort fördern werde, sondern nur zu Großaufträgen deutscher Konzerne führe, solle die Bundesregierung nicht Hilfsgelder für den UN Hilfsfonds kürzen, sondern endlich verbindliche Gesetze für Rüstungsexporte beschließen und im eigenen Land und in der EU auf eine Änderung der Wirtschaftsweise hinwirken. Solange die lokale Wirtschaft in Afrika zerstört werde durch subventionierte EU-Billigexporte und Importzölle die lokale Viehwirtschaft ruinierten, würden sich die verarmten Flüchtlinge auf den Weg nach Europa machen.
Angesichts eines z.B. für Somalia prognostizierten Temperaturanstiegs von sechs Grad bis Ende des Jahrhunderts sei dort dann keine Landwirtschaft mehr möglich.
Der Grünenpolitiker kritisierte in diesem Zusammenhang die deutsche Sammelabschiebepraxis nach Afghanistan hart: die Ausweisung bestimmter Gebiete als sichere Lebensbereiche stütze sich auf mangelhafte Ortskenntnisse. „Ich habe eine als Abschiebeziel genannte Stadt gesucht – eine solche existierte aber gar nicht!“
Die angebliche Betreuung Abgeschobener finde überdies nur unzureichend statt, ergänzte Tobias Bacherle, weil zu wenige Informationen übermittelt würden. So wären den afghanischen Behörden die Delikte von Straftätern gar nicht bekannt.
Die Bundesregierung forderte Nouripour zu einem stärkeren Engagement Deutschlands in der Welt und Europa auf: dazu gehöre, sich für mehr Geld zur Unterstützung der EU Flüchtlingsanlaufländer Malta, Griechenland und Italien einzusetzen und endlich die Bevorzugung Saudi-Arabiens gegenüber dem Iran aufzugeben. Trotz aller vom Redner aufgezeigten Konflikte, Kriege und humanitären Katastrophen sieht Nouripour die Welt nicht „aus den Fugen“. Nie zuvor habe es für so viele Menschen z.B. Zugang zu Wissen, Wasser und Gesundheitsvorsorge gegeben. Selbst im chaotisch erscheinenden Afghanistan gebe es breite Verbesserungen innerhalb der Zivilgesellschaft - vor allem getragen durch die Frauen, so schwierig deren Rolle dort auch sei.
Zudem verstärke die schnelle Verbreitung von Bildern und Nachrichten den Eindruck von globaler Destabilisierung. Auf der anderen Seite zeige das Beispiel der aktuellen Choleraepidemie im Jemen, der durch die Saudis in die Steinzeit zurückgebombt worden sei, was das Ignorieren von Problemen durch die Weltberichterstattung für Folgen habe.
Dort kündige sich derzeit die größte da gewesene afrikanische Epidemie an mit 100 000 Infizierten innerhalb der letzten 10 Wochen, da aufgrund der Seeblockade, an der auch in Deutschland hergestellte saudische Patrouillenboote beteiligt seien, keine Medikamente mehr in das Land gelangten.
In der Weltberichterstattung sei dies alles aber alles kein Thema.
In der abschließende Diskussion wies Tobias Bacherle den Vorwurf einer unrealistischen grünen Flüchtlingspolitik zurück: „Nicht wir sind die Naiven, denn wir glauben nicht, dass man Völker verarmen lassen kann und dann denkt, dass sich die Menschen zum Überleben nicht auf den Weg zu uns machen“. Videos von Tobias Bacherles Tag mit Omid Nouripour sowie Kostproben der selbstgeschriebenen Lieder, die der Herrenberger Abiturient Joris Rose am Veranstaltungsabend auf seiner Gitarre vortrug, sind auf allen sozialen Medien nachzulesen und hören.
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