Zukunft bezahlbares Wohnen

Fehlender Wohnraum wegen jahrzehntelang vernachlässigtem Wohnungsbau durch die öffentliche Hand hat in Herrenberg und in verschärftem Maße in der benachbarten Universitätsstadt Tübingen zu einem akuten Mangel geführt. Auf Einladung der Grünen Gemeinderatsfraktion war Axel Burkhardt, gebürtiger Herrenberger und als langjähriges Vorstandsmitglied im Jugendhausverein hier noch gut bekannt, der unterdessen zusammen mit seiner Kollegin Julia Hartmann Beauftragter für Wohnraum der Stadt Tübingen ist, zu einem Vortrag über „Zukunft bezahlbares Wohnen“ in den Herrenberger Klosterhof gekommen.

21.07.16 –

Fehlender Wohnraum wegen jahrzehntelang vernachlässigtem Wohnungsbau durch die öffentliche Hand hat in Herrenberg und in verschärftem Maße in der benachbarten Universitätsstadt Tübingen zu einem akuten Mangel geführt. Auf Einladung der Grünen Gemeinderatsfraktion war Axel Burkhardt, gebürtiger Herrenberger und als langjähriges Vorstandsmitglied im Jugendhausverein hier noch gut bekannt, der unterdessen zusammen mit seiner Kollegin Julia Hartmann Beauftragter für Wohnraum der Stadt Tübingen ist, zu einem Vortrag über  „Zukunft bezahlbares Wohnen“ in den Herrenberger Klosterhof gekommen. Darin ging er auf die Fragen nach möglichen Akteuren im Wohnungsbau, „Wachstum ohne Wachstum“ durch Innenentwicklung, sowie verschiedene Einflussmöglichkeiten von Kommunen ein. Wichtig sei ein Mix aus unterschiedlichen Akteuren, so Burkhardt: Baugruppen, Genossenschaften, die aktuell eine Wiederbelebung erführen, da Eigeneigentum für viele unerschwinglich werde oder eine Konstruktion wie das „Mietshäuser-Syndikat“ mit bereits 200 Projekten bundesweit, das dem Spekulationsmarkt Wohnraum entzieht und zu bezahlbaren Mietpreisen abgibt; außerdem klassische Investorenfirmen und Privatleute. Sei die Stadt mit einer kommunalen Wohnbaugesellschaft Bauträgerin, könne ein Angebot für finanziell schlecht gestellte Mieter geschaffen werden, die aus eigener Kraft nirgends unterkämen. „Würden klassische Investoren zu einer bestimmten Sozialwohnungsquote verpflichtet, bestünde die Gefahr, dass sie die restlichen angebotenen Wohnungen aus Gewinnmaximierung überteuert verkaufen oder vermieten und Familien mit mittlerem Einkommen sich diese nicht mehr leisten könnten.“, so Burckhardt. Gegen diese Situation habe die Stadt Stuttgart ein Modell entwickelt.

Erklärtes Ziel in Tübingen sei es, dass die Stadt möglichst große Anteile an Grund und Boden erwerbe und diese zu einem Festpreis in einem „Wettbewerb der Konzepte“ verkaufe. Vergabekriterien seien dabei z.B. nachbarschaftlicher Mehrwert und nicht Höchstgebote von Investoren. Erwerbe ein Investor von privat eine Fläche, gebe die Stadt nur dann die Baugenehmigung, wenn beim anfallenden Gewinn 1/3 bei der Stadt verblieben. 

Der zweite Teil des Vortrags „Wachstum ohne Wachstum“ beschäftigte sich mit Möglichkeiten der Innenentwicklung am Beispiel von Tübingen. Durch die politische Vorgabe des Gemeinderats, Außenflächen zu schonen, konnten die beiden Wohnraumbeauftragten noch ungeahnte Flächenpotenziale innerhalb der Stadt finden. Eine Leerstandsanalyse machte z.B. rund 150 Einfamilienhäuser aus, deren Eigentümer nun aufgefordert wurden, diese zu vermieten, wobei die Stadt anbietet, die komplette Mietabwicklung zu übernehmen. Aber auch Tübingen habe jetzt aufgrund seines starken Wachstums das Ende der Innenentwicklung erreicht und komme absehbar um neue Baugebiete im Außenbereich nicht herum. Nur beschreite die Stadt Tübingen hierbei einen radikalen Weg. Neubaugebiete werden nur entwickelt, wenn zuvor alle betroffenen Grundbesitzer an die Stadt verkauft haben. Diese würden bei der Vergabe der Grundstücke zur Selbstnutzung bevorzugt und es gelte eine Bauverpflichtung innerhalb von vier Jahren.

Kennzeichen Tübingens seien die hochverdichteten urbanen Quartiere wie das Französische Viertel und, ganz neu das der „Alten Weberei“. Durch Änderung gesetzlicher Rahmenbedingungen wie Lärmvorschriften, entstehe Wohnen und Arbeiten an einem Ort – allein im Französischen Viertel seien  damit 700  Arbeitsplätze vor Ort geschaffen worden. Die bevorzugten privaten Baugruppen können zudem i.d.R. 20% günstiger bauen als klassische Investoren. Burkhardt gestand zu, dass es bei derartigen Projekten mühsamer Verhandlungen bedürfe. „Aber es gibt dazu keine Alternative“. Als weitere Stellschraube für eine Stadt gebe es das Erbbaurecht anstelle des klassischen Kaufens und Verkaufens von Grundstücken. Damit behielten Kommunen Verfügungsgewalt, eine langfristige Steuerung sei möglich, nur der Kämmerer sei darüber zunächst nicht so glücklich, da nur jährliche Pachtbeträge eingehen, „aber langfristig zahlt es sich aus“ so Burkhardt.

Jörn Gutbier, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, beschloss den Abend: „Ich hoffe sehr, dass das fundierte und praxiserprobte Wissen von Axel Burkhardt und der Stadt Tübingen auch dem Herrenberger Gemeinderat und der Verwaltung zugänglich gemacht werden kann.“ Er verwies dazu auf den bereits eingebrachten Antrag der Grünen Fraktion, ein Symposium zur Gestaltung von sozialem und bezahlbarem Wohnraum im Zusammenhang mit der diskutierten Gründung einer städtischen Wohnbaugesellschaft durchzuführen.

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