Eine Scheinlösung

Kolumne Mai 2023

16.05.23 – von Dr. Heike Völker –

Warum soll das Neubaugebiet Herrenberg-Süd für 3000 Bewohner ab 2030 gebaut werden? Weil in der Region Stuttgart alle durch die in Ruhestand tretenden Babyboomer freiwerdenden Arbeitsplätze 1:1 durch zuziehende, junge Fachkräfte wieder besetzt werden, für die es Wohnraum braucht. So ist die Begründung für den Nachweis des „erhöhten“ Bedarfs an Wohnraum – die Voraussetzung für die Durchführung einer Stadtentwicklungsmaßnahme SEM.

Wir Grüne teilen diese Einschätzung nicht. Richtig ist, dass wir aktuell in der Tat ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum haben. Das Argument, dass Bauen, Bauen, Bauen die Lösung ist, trifft nicht zu. Denn Bauen ist inzwischen so teuer, dass nur mit sehr viel Steuergeldern subventioniert bezahlbarer Wohnraum entsteht. Dieser kommt aber nur den unteren Einkommen zugute. Bereits die mittleren Einkommen fallen aus dem Raster. Der Wohnraum stünde auch erst ab 2030 zur Verfügung. Unklar ist, ob ab 2030 überhaupt die Steuermittel für den geförderten Neubau zur Verfügung stehen. Denn gleichzeitig muss im ganzen Land die energetische Sanierung des Gebäudebestandes mit Fördergeldern vorangetrieben werden. Bis 2030 wird der Immobilienmarkt wegen des demografischen Wandels ein anderer sein, wie wir ihn heute kennen. Bis 2030 wird das Angebot an Wohneinheiten auf dem Markt größer sein als die Nachfrage durch Haushaltsneugründungen. Das ist die Konsequenz der Altersstruktur in unserer Gesellschaft: Es wurden einst zu wenig Kinder geboren.

Bei diesen Aussichten investiert die Stadt Herrenberg über 200 Millionen Euro für einen neuen Stadtteil bis 2040 über einen Sonderhaushalt. Der Preis einer SEM für die mögliche Enteignung verkaufsunwilliger Grundstücksbesitzer ist, dass Gewinn an die Alteigentümer, Defizit als Schulden in den Kernhaushalt gehen. Während die Stadt Herrenberg das ganze unternehmerische Risiko trägt, profitiert die Region Stuttgart. Die zuziehenden Fachkräfte stärken die Wirtschaftskraft und mehren die Steuereinnahmen in Sindelfingen, Weissach, Stuttgart usw.

Wir gehen in das Risiko für eine Scheinlösung für unser heutiges Problem, das in dieser Form so zum Zeitpunkt der Aufsiedelung nicht mehr bestehen wird. Und das alles für die Region Stuttgart, die selbst zu nichts verpflichtet ist. Denn es gibt keine Verantwortungsgemeinschaft zwischen der Stadt Herrenberg und der Region Stuttgart. Wir Grüne denken vom Ende her – und stimmen deshalb gegen eine SEM Herrenberg- Süd. Auf der Homepage der Herrenberger Grünen finden Sie unsere Stellungnahme zur SEM Herrenberg-Süd.

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